Aus dem Lotos-Sutra: Kapitel 11 Das Erscheinen des Juwelenstupa
Da stand vor dem Buddha ein Stupa, verziert mit den sieben Kostbarkeiten, fünfhundert Yojana hoch und zweihundertfünfzig Yojana breit1. Aus der Erde gesprungen weilte er nun im Luftraum. Alle Arten von Kostbarkeiten schmückten ihn; er besaß fünftausend Geländer und zehn Millionen Kammern; unzählige Banner zierten ihn aufs Prächtigste und ebenso viele Juwelengirlanden hingen herab; Myriaden von Juwelenglocken waren an ihm aufgehängt; von allen vier Seiten strömte der Duft von Tamalapattra und Candana herbei, der die ganze Welt erfüllte; seine Banner und Schirme bestanden aus den sieben Juwelen Gold, Silber, Lapislazuli, Korallen, Achat, Perlen und Karnelien; seine Höhe reichte bis zu den Palästen der vier himmlischen Könige. Die Götter des Trayastrimsa-Himmels regneten göttliche Mandarava-Blumen herab, um damit dem Juwelenstupa Spenden darzubringen. Die anderen Myriaden von Göttern, Nagas, Yaksas, Gandharvas, Asuras, Garudas, Kimnaras, Mahoragas, Menschen und Nicht-Menschen brachten dem Juwelenstupa Spenden dar mit allen Arten von Blumen, Weihrauch, Ketten, Bannern, Schirmen und Musikvorführungen, sie verehrten, wertschätzten und lobpreisten ihn.
Da kam aus dem Juwelenstupa heraus eine laute preisende Stimme: "Wohlgetan! Wohlgetan! Der Weltverehrte Shakyamuni kann mit unveränderter großer Weisheit das Gesetz für die Bodhisattvas lehren, das Sutra vom Lotos des Wahren Gesetzes, das von den Buddhas in Erinnerung bewahrt wird, er kann es zum Wohl der großen Gemeinde darlegen! Es ist genau so, wie er es sagt. Alles, was der Weltverehrte Shakyamuni darlegt, ist völlig wahr."
Als da die vierfache Versammlung den großen Juwelenstupa sah, wie er im Luftraum weilte, und noch dazu aus dem Stupa heraus die Stimme erschallen hörten, da erlangten sie die Freude des Gesetzes und staunten über all das noch nie zuvor Erlebte. Sie erhoben sich von ihren Sitzen, legten verehrend die Handflächen zusammen und ließen sich auf der Seite nieder.
Da gab es einen Bodhisattva, einen Mahasattva mit Namen Mahapratibhana2 (Große Freude an der Darlegung), der um all die Zweifel wusste, die die Götter, Menschen, Asuras und andere in der ganzen Welt im Geiste hegen. Er sagte zum Buddha: "Oh Weltverehrter! Aus welchem Grund ist dieser Juwelenstupa aus der Erde hervorgesprungen, und warum ertönt diese Stimme aus ihm?"
Da sagte der Buddha zu dem Bodhisattva Große Freude an der Darlegung: "In diesem Juwelenstupa befindet sich der vollständige Körper eines Tathagata. Einst, in den östlichen Regionen, unermesslich viele Asamkhyeyas von Welten entfernt in einem Land namens Juwelenrein gab es einen Buddha namens Juwelenreich. Als dieser Buddha den Weg des Bodhisattva übte, da legte er ein großes Gelübde ab: 'Wenn ich die Buddhaschaft erlangen werde, so wird nach meinem Verlöschen dort, wo in den Ländern der zehn Himmelsrichtungen jemand das Sutra vom Lotos des Gesetzes darlegt, mein Stupa plötzlich vor diesem erscheinen, weil dieses Sutra vernommen worden ist - und ich werde es bezeugen, werde es lobpreisen.'
Nachdem nun jener Buddha die Erleuchtung erlangt hatte und der Zeitpunkt seines Verlöschens näher kam, da sagte er in einer großen Versammlung von Göttern und Menschen zu den Mönchen: 'Wenn Ihr nach meinem Verlöschen meinem vollständigen Körper Spenden darbringen wollt, dann sollt Ihr einen großen Stupa errichten. Durch seine übernatürlichen Fähigkeiten und die Kraft seines Gelübdes lässt dieser Buddha an jedem Ort in den Welten der zehn Himmelsrichtungen, an dem jemand das Sutra vom Lotos des Gesetzes darlegt, seinen Juwelenstupa vor diesem ganz aus der Erde springen. Sein vollständiger Körper weilt darin, und er spricht die preisenden Worte: 'Wohlgetan! Wohlgetan!'
Oh Große Freude an der Darlegung! Der Stupa des Tathagata Juwelenreich ist jetzt aus der Erde gesprungen, da er vernommen hat, wie das Sutra vom Lotos des Gesetzes dargelegt wird, und er hat die preisenden Worte: 'Wohlgetan! Wohlgetan!' gesprochen."
Da sprach der Bodhisattva Große Freude an der Darlegung, bewegt durch diese übernatürliche Fähigkeit des Tathagata, zum Buddha:
"Oh Weltverehrter! Wir wünschen den Körper dieses Buddha zu sehen!" Der Buddha sprach zu dem Bodhisattva, dem Mahasattva Große Freude an der Darlegung: "Dieser Buddha Juwelenreich hat ein tiefgründiges Gelübde abgelegt: 'Wenn mein Juwelenstupa plötzlich vor den Buddhas hervorkommt, weil das Sutra vom Lotos des Gesetzes vernommen wird, und wenn diese meinen Körper der vierfachen Versammlung zeigen möchten, dann sollen sich all jene Buddhas wieder an einem einzigen Ort versammeln, die Teilungskörper jenes Buddha sind und die in den Welten der zehn Himmelsrichtungen das Gesetz darlegen. Danach erst werde ich meinen Körper erscheinen lassen. Oh Große Freude an der Darlegung! Ich werde jetzt die Buddhas versammeln, die meine Teilungskörper sind und die in den Welten der zehn Himmelsrichtungen das Gesetz darlegen."
Große Freude an der Darlegung sagte zum Buddha: "Oh Weltverehrter! Wir wünschen diese Buddhas, die Teilungskörper des Weltverehrten, zu sehen, sie zu grüßen und ihnen Spenden darzubringen."
Da entließ der Buddha aus dem weißen Haarwirbel zwischen seinen Augenbrauen einen Lichtstrahl und die Buddhas der fünfhundert Myriaden Nayutas von Ländern des Ostens wurden sichtbar, so zahlreich wie die Sandkörner des Flusses Ganga…
… Als da der Buddha Shakyamuni sah, dass sich alle Buddhas, seine Teilungskörper, versammelt hatten und jeder auf einem Löwensitz saß, da erhob er sich von seinem Sitz und verweilte in der Luft. Die gesamte vierfache Versammlung erhob sich und blickte mit aneinander gelegten Handflächen auf den Buddha.
Da öffnete der Buddha Shakyamuni mit den Fingern seiner rechten Hand die mit den sieben Juwelen besetzte Tür des Stupa, und ein lautes Geräusch drang nach draußen, als ob man den Querbalken entfernt und ein großes Stadttor aufgestoßen hätte. Und sogleich sah diese gesamte Versammlung den Tathagata Juwelenreich, wie er in dem Juwelenstupa auf seinem Löwensitz saß, mit vollständigem Körper und unbeschadet, wie in tiefer Meditation versunken. Und sie hörten auch, wie er sagte:
"Wohlgetan! Wohlgetan! Oh Buddha Shakyamuni! Wunderbar ist es, wie Du dieses Sutra vom Lotos des Gesetzes dargelegt hast; ich bin hierhergekommen, um dieses Sutra zu hören."
Als die vierfache Versammlung da sah, wie der Buddha, der vor unermesslich vielen Myriaden von Zeitaltern verlöscht war, auf diese Weise sprach, da war sie erstaunt über das, was sie bisher noch nicht erfahren hatte, und streute Unmengen von himmlischen Juwelenblumen über dem Buddha Juwelenreich und dem Buddha Shakyamuni aus.
Da teilte der Buddha Juwelenreich im Juwelenstupa seinen Sitz, bot eine Hälfte dem Buddha Shakyamuni an und sagte: "Der Buddha Shakyamuni möge sich auf diesen Sitz begeben." Sogleich ging der Buddha Shakyamuni in diesen Stupa hinein und setzte sich mit verschränkten Beinen auf den halben Sitz.
Als die große Versammlung da die beiden Tathagatas mit verschränkten Beinen in dem mit den sieben Juwelen geschmückten Stupa auf dem Löwensitz sitzen sah, da dachte jeder Einzelne: "Die Buddhas sitzen weit oben und entfernt. Mögen doch die Tathagatas mit ihren übernatürlichen Fähigkeiten uns alle gemeinsam in die Luft erheben."
Sogleich erhob der Buddha Shakyamuni mit seinen übernatürlichen Fähigkeiten die ganze große Versammlung in die Luft und sagte weithin mit lauter Stimme zu der vierfachen Versammlung: "Wer vermag in diesen Sabha-Ländern ausführlich dieses Sutra vom Lotos des Wunderbaren Gesetzes darzulegen? Jetzt wahrlich ist es an der Zeit - der Tathagata wird in nicht ferner Zeit ins Nirvana eingehen. Der Buddha möchte dieses Sutra vom Lotos des Wunderbaren Gesetzes jemandem anvertrauen, damit es Bestand habe."
[Quelle: Deeg, Lotos-Sutra, 185ff]
Dies nun mochte Abusu-bo Nittoku auf Sado gelesen haben und er fragte sich nach der Bedeutung dieser Metapher und stellte Nichiren im Zusammenhang mit einer Spende in einem Begleitbrief im Jahre 1272 die Frage nach dem Schatzturm des Buddhas Taho, bzw. dem Juwelenstupa des Buddhas Juwelenreich
Sein weltlicher Name war Endō Tamemori. Der Überlieferung nach war Abutsu-bō einst ein Samurai, der dem pensionierten Kaiser Juntoku in Kyoto diente und ihn auf die Insel Sado begleitete, als Juntoku dorthin verbannt wurde, nachdem der kaiserliche Hof im Zuge der sogenannten Jōkyū-Unruhen von 1221 einen fehlgeschlagenen Versuch unternommen hatte, das Kamakura-Shogunat zu stürzen. Neueren Studien zufolge ist es jedoch wahrscheinlicher, dass er tatsächlich von Sado stammte. Abutsu-bō war ein derart glühender Anhänger des Reinen Landes, dass er den Namen des Buddhas Amida zu seinem Priesternamen machte, und sich A-mida-butsu-bo Nittoku nannte, der Einfachheit halber ohne 'mida'. Als Nichiren nach Sado verbannt wurde, besuchte er ihn sehr bald nach seiner Ankunft im November 1271 in Tsukahara, um mit ihm zu debattieren. Abutsu-bō war zu dieser Zeit bereits 83 Jahre alt. Er unterlag Nichiren, der die Lehren des Reinen Landes ablehnte, und konvertierte zusammen mit seiner Frau, der Laiennonne Sennichi, zu dessen Lehren. Das Paar unterstützte Nichiren während seines Exils aufrichtig und versorgte ihn über zwei Jahre lang mit Lebensmitteln und anderen lebensnotwendigen Gütern, bis er 1274 begnadigt wurde und die Insel verließ.
Nachdem Nichiren an den Fuß des Berges Minobu3 gezogen war, unternahm Abutsu-bō trotz seines hohen Alters mindestens drei Reisen, um ihn mit Opfergaben zu besuchen.
Weil der Weg von Sado 450 km weit ist4 und man dann auch noch 'den Berg besteigen' [jap. tozan] muss, wurde seine Bemühung in späteren Zeiten sprichwörtlich für eine Pilgerfahrt zum Haupttempel nach Japan: Tozan – 'Berg besteigen'. Abutsu-bō soll am 21. März 1279 im Alter von 91 Jahren gestorben sein. Anschließend reiste sein Sohn, Tōkurō Moritsuna, mit Vaters Asche zum Minobu und bestattete sie dort. Moritsuna hielt weiterhin an Nichirens Lehren fest, und Abutsu-bos Enkel erhielt den Priesternamen Nyojaku Nichiman und ging als Kind zum Fuji, wo er ein Schüler von Nikkō, Nichirens unmittelbarem Nachfolger, wurde.
[Nichirenlibrary, Glossar, Abutsu-bo]
Gosho 31 Über den Juwelenstupa
Ich habe Ihren Brief sehr sorgfältig gelesen. Auch Ihre Gabe von tausend Münzen, poliertem Reis und anderen Dingen für den Juwelenstupa habe ich erhalten. Voller Respekt habe ich dies dem Gohonzon und dem Lotos-Sutra berichtet. Bitte seien Sie beruhigt.
In Ihrem Brief fragen Sie: "Was ist die Bedeutung des So Gekommenen Juwelenreich und seinem Juwelenstupa, der aus der Erde zum Vorschein kam?" Die Lehre vom Juwelenstupa ist äußerst wichtig. Im achten Band seines Werkes Worte und Sätze des Lotos-Sutra erklärt der Große Lehrer Tiantai das Erscheinen des Juwelenstupa und erläutert seine zwei unterschiedlichen Funktionen: Zum einen verleiht er den vorangehenden Kapiteln Glaubwürdigkeit, zum anderen ebnet er den Weg für die nachfolgende Offenbarung. Der Juwelenstupa erschien also, um die theoretische Lehre zu bestätigen und die wesentliche Lehre einzuführen. Anders ausgedrückt symbolisiert der geschlossene Stupa die theoretische Lehre, wogegen der geöffnete Stupa für die wesentliche Lehre steht. Der offene Stupa zeigt die beiden Elemente Wirklichkeit und Weisheit. Dies ist jedoch äußerst komplex, weshalb ich hier nicht weiter ins Detail gehen möchte.
Das Erscheinen des Juwelenstupa zeigt vor allem eines: Weil sie das Lotos-Sutra hörten, konnten die drei Gruppen der Hörer zum ersten Mal den Juwelenstupa in ihrem eigenen Leben erkennen. Nun tun Nichirens Schüler und Laienunterstützer es ihnen gleich. In der Spätzeit des Gesetzes gibt es einen solchen Juwelenstupa nur in Gestalt der Männer und Frauen, die das Lotos-Sutra beibehalten. Daraus folgt: Ob bedeutend oder einfach, von hohem oder niedrigem Rang – wer Nam-Myoho-Renge-Kyo rezitiert, ist selbst der Juwelenstupa und zugleich der So Gekommene Juwelenreich. Es gibt keinen Juwelenstupa außer Nam-Myoho-Renge-Kyo. Das Daimoku des Lotos-Sutra ist der Juwelenstupa, und der Juwelenstupa ist Nam-Myoho-Renge-Kyo.
Derzeit setzt sich der gesamte Körper des ehrwürdigen Abutsu zusammen aus den fünf Elementen Erde, Wasser, Feuer, Wind und Raum. Diese fünf Elemente sind auch die fünf Schriftzeichen des Daimoku. Abutsu-bo selbst ist deshalb der Juwelenstupa, und der Juwelenstupa ist Abutsu-bo. Kein anderes Wissen ist hier von Nutzen. Dieser Juwelenstupa ist mit den sieben Arten von Schätzen geschmückt: die wahre Lehre hören, an sie glauben, die Regeln befolgen, meditieren, sich gewissenhaft der Ausübung widmen, Anhaftungen aufgeben und über sich selbst reflektieren. Sie meinen vielleicht, dass Sie dem Juwelenstupa des So Gekommenen Juwelenreich Gaben dargebracht haben, aber das ist nicht so. Sie gaben sie sich selbst. Sie selbst sind ein So Gekommener, der ursprünglich erleuchtet und mit den Drei Körpern ausgestattet ist. Mit dieser Überzeugung sollten Sie Nam-Myoho-Renge-Kyo rezitieren. Dann wird an dem Ort, an dem Sie Daimoku rezitieren, der Juwelenstupa sein. Im Sutra steht: „An jedem Ort, an dem das Lotos-Sutra verkündet wird, erscheint mein Juwelenstupa.“
Ein Glaube wie der Ihre ist so außerordentlich selten, dass ich speziell für Sie den Juwelenstupa einschreiben werde. Sie dürfen ihn an niemanden weitergeben, außer an Ihren Sohn. Niemals dürfen Sie ihn anderen zeigen, es sei denn, deren Glaube ist stark. Dies ist der Grund für mein Erscheinen in dieser Welt.
Abutsu-bo, Sie verdienen es, Anführer dieser nördlichen Provinz genannt zu werden. Kann es sein, dass Bodhisattva Reiner Lebenswandel als Abutsu-bo in diese Welt wiedergeboren wurde und mich besuchte? Wie wundervoll! Wie großartig! Ich kann nicht begreifen, wie es kommt, dass Sie solch einen Glauben haben. Auf diese Frage zu antworten überlasse ich Bodhisattva Hervorragender Lebenswandel, wenn er erscheint, denn er hat die Fähigkeit, solche Dinge zu verstehen. Ich sage dies alles nicht ohne guten Grund. Sie und Ihre Frau sollten diesen Juwelenstupa nicht öffentlich verehren. Ich werde Ihnen später mehr dazu erklären.
In tiefem Respekt
Nichiren [SND-1, 372 f.]
Hintergrund:
In der chronologischen Einordnung der Schriften Nichiren Daishonins trägt der Brief das Datum: "Am dreizehnten Tag des dritten Monats im neunten Jahr von Bun'ei, zyklisches Zeichen Mizunoe-Saru." Das wäre 1272 oder 12735. Zu dieser Zeit hielt sich Nichiren jedoch noch auf Sado auf und eine umfangreiche Reis- und Geldspende hätte wenig Sinn gemacht. Nicht so nach 1274, als der Daishonin sich zum Minobu zurückgezogen hatte. Präsident Ikeda schreibt in seiner Vorlesung auch: "Neuere Recherchen deuten aufgrund des Inhalts auf Letzteres hin." Also dürfen wir davon ausgehen, dass der Brief vielleicht irgendwann falsch datiert wurde und es sich um eine Antwort auf den Begleitbrief einer Spende handelt, in der Abutsu-bo nach der Bedeutung des Juwelenstupa fragte.
In der Eingangspassage spricht Nichiren zwei Prinzipien an, die ihrerseits als Grundlagen Nichiren Buddhismus gelten. Beides geht wiederum auf die Lehren T'ien-t'ais (538-597) zurück. Es handelt sich um die Unterscheidung zwischen Theoretischer Lehre und Wesentlicher Lehre des Lotos-Sutras. Die ersten vierzehn Kapitel des Lotos-Sutras beschreiben den Buddha Shakyamuni als den Gautama Siddharta, der im antiken Indien zum ersten Mal die Buddhaschaft unter dem Bodhi-Baum erlangte. Kern der Theoretischen Lehre ist das Hoben-Kapitel (Kap. 2), in dem der Lehrsatz von shoho jisso erscheint: 'Alle Phänomene sind das Wahre Wesen' und alle Phänomene besitzen die Zehn Faktoren. Das hört sich eben noch theoretisch an, so als ob man die Eigenschaften von Fett und Eiweiß im Kuchen beschreibt. In dem Teil des zweiten Kapitels, den wir nicht beim Gongyo rezitieren, heißt es auch, dass es die wahre Absicht des Buddha sei, alle Menschen zur Buddhaschaft zu führen und dass die drei Fahrzeuge nur hilfreiche Mittel seien, um die Menschen zum Einen Buddhafahrzeug zu führen. [SND, 1558] - Nur, damit wir das schon mal gesagt hatten. Die Aufklärung folgt später.
Der Punkt ist, das Buddhaschaft hier noch als fernes, wenn auch erreichbares Ziel definiert wird. Und die Stimme von Taho Buddha, pardon, Juwelenreich, bestätigt die ersten zehn Kapitel mit den Worten: "Super gemacht, stimmt alles!" Wie Nichiren in der Gosho schreibt: "Zum einen verleiht er den vorangehenden Kapiteln Glaubwürdigkeit…" Aber dann geht es ja weiter. Shakyamuni behauptet vor der Versammlung auf dem Adlergipfel, in dem Juwelenstupa, also im Prinzip einem fliegenden Mausuleum, befinde sich noch der unversehrte, also auch unverweste Körper eines Buddha. Das wollen die Leute sehen!
Also trifft Shakyamuni Buddha alle Vorkehrungen, die nötig sind, um den Stupa zu öffnen und tatsächlich sitzt Juwelenreich darin, scheinbar meditierend, aber doch mitteilsam und freundlich. Er teilt seinen Sitz in zwei Teile und bietet Shakyamuni eine Hälfte an. Natürlich wenden die nun nebeneinander sitzenden dem Publikum nicht den Rücken zu.
Unten, 4.800km tiefer, können die Leute aber gar nichts sehen und fordern, dass man sie in entsprechend günstigere Position befördere. Da erhebt der Buddha die ganze Versammlung vom Adlergipfel in die Luft (wohl eher in den Weltraum, denn Luft ist da keine mehr) und ab da heißt es dann: Zeremonie in der Luft. Das, so schreibt Nichiren: "… ebnet … den Weg für die nachfolgende Offenbarung. Der Juwelenstupa erschien also, um die theoretische Lehre zu bestätigen und die wesentliche Lehre einzuführen."
Die Wesentliche Lehre, das sind die zweiten vierzehn Kapitel des Lotos-Sutra, in denen Shakyamuni offenbart, dass er schon ganz oft Buddha gewesen sei, unendliche Milliarden Mal, anders ausgedrückt, er zeigt sich als ewiger Buddha, die Buddhaschaft ist in mir schon vorangelegt. Kern der zweiten Hälfte ist das 16. Kapitel 'Die Lebensspanne des Buddha messen'. Das heißt, Buddhaschaft ist jetzt der Ausgangspunkt, nicht das ferne Ziel. Das gibt es nur im Lotos-Sutra, nur bei Nichiren Daishonin! Alle anderen buddhistischen Lehren meinen: Du bist noch kein Buddha, du musst dir das erarbeiten! Wir sagen: Es ist der Fluss des Lebens in dir. Und: Bist du am Leben oder tot, das ist Illusion, du lebst immer!
In der Gosho heißt es dann: "Anders ausgedrückt symbolisiert der geschlossene Stupa die theoretische Lehre, wogegen der geöffnete Stupa für die wesentliche Lehre steht. Der offene Stupa zeigt die beiden Elemente Wirklichkeit und Weisheit."
Das ist das andere Prinzip nach T'ien-t'ai: Kyo-chi myogo, die Verschmelzung von Wirklichkeit und Weisheit. Genau genommen zeigt nicht der offene Stupa die beiden Elemente, sondern im offenen Stupa sitzen Taho und Shakyamuni und die verkörpern das. So sitzen sie auch im Gohonzon relativ weit oben, Taho für die objektive Wirklichkeit, die Wahrheit des Lebens, des Universums und allem, physisch und spirituell. Und Shakyamuni steht für die subjektive Weisheit, diese Wahrheit zu erkennen.
Wir machen kyo-chi myogo, indem wir unser eigenes, wahres Selbst mit dem Licht der großen Weisheit erhellen. Wir sind der Schatzturm!
Wie Präsident Ikeda schreibt: "Ein prächtiger Juwelenstupa steht majestätisch im inneren Universum unseres Lebens; wir sehen ihn und werden uns seiner Gegenwart bewusst. Das Erscheinen des Juwelenstupa bedeutet mit anderen Worten zu erkennen, dass der Juwelenstupa ein Sinnbild für die wahre Realität unseres eigenen Lebens ist."
Der Juwelenstupa ist also eine Metapher für den Wert unseres eigenen Lebens. Er ist 4.800 km hoch, aber er war zuvor in der Erde verborgen, dapasste er auch gut rein, bei einem Erd-Durchmesser von gut 12.800km. Mit den Augen gewöhnlicher Sterblicher ist er nicht zu sehen. Menschen der sechs Welten sehen alles Mögliche, aber nicht den Wert des Lebens. Menschen der zwei Fahrzeuge können sich den Wert theoretisch vorstellen, als Teil der Lehre, sie nehmen diese Information auf. Aber tatsächlich erst die Bodhisattva/Buddhas, die NMRK ausüben, paff, isser da! Schlagartig.
Wenn Präsident Ikeda schreibt: " Wenn wir uns des immensen und wertvollen Potenzials unseres eigenen Lebens bewusst werden, können wir dieses Potenzial natürlicherweise auch in anderen erkennen." Das ist die Übersetzung in moderne Sprache des Goshozitats: "… so wie man versteht, dass das eigene Leben stets myo ist, versteht man auch, dass die Leben der anderen allesamt Erscheinungsformen des Mystischen Gesetzes sind."
Myo - Alle Buddhas entstammen dem Schriftzeichen Myo, steht in der Gosho. [SND, 1168]
Im Buddhismus gibt es ja keinen Gott, da gibt es den universellen Wert des Lebens. Daran glauben wir: Myo - wunderbar, wertvoll - Myoho - die Gesetzmäßigkeit vom Wert des Lebens im Universum. Myo bezeichnet den universellen Wert des Lebens an sich in allem und jedem.
Fukyo sagt: Ich sehe deine Buddhaschaft, ich sehe deinen Wert, deshalb verehre ich dich. Das ist eine andere Art, Nam-Myoho-Renge-Kyo zu sagen, erklärt Nichiren. Also könnte man das auch so übersetzen: 'All mein Denken und Handeln widme ich (Nam) der grundlegenden Tatsache (ho) vom Wert (myo), der allem Sein im Universum innewohnt, dem reinen, ungetrübten (Renge) Wert des Lebens, so, wie ich ihn in mir und allen anderen erkenne (Kyo).'
Buddhaschaft hervorbringen bedeutet also in diesem Sinne: Myo, den Wert des Lebens, all seinem Tun zugrunde zu legen und nur noch so zu handeln. Das bildet der Gohonzon ab: Wenn man von der Werthaftigkeit des Lebens ausgeht, werden sich die anderen Lebenszustände entsprechend ausrichten. Nam-Myoho-Renge-Kyo und die Zeremonie, die auf dem Gohonzon abgebildet ist, das ist der Lobpreis des Lebens selbst (ohne Gott). Das ist die Lehre, die Nichiren als Lotos-Sutra bezeichnet. Diese Lehre taucht immer wieder auf im Universum und verschwindet auch immer wieder.
Anmerkungen
1. 4.800km x 2.400km. 1 Yojana = 961m
Yojana: Die Strecke, die die königliche Armee im antiken Indien an einem Tag zurücklegen konnte. Das Sanskrit Wort Yojana bedeutet "Joch tragen" und weist darauf hin, dass die Armee Ochsenkarren mitführte, welche die Geschwindigkeit, je nach Gelände, stark einschränkten. So sprechen verschiedene Quellen nicht nur von 9,61 sondern auch von 7, 18 oder 24 km Tagesstrecken.
Wenn man davon ausgeht, dass der Schatzturm / Juwelenstupa von Taho Buddha 500 Yojana hoch und 250 Yojana breit war und sich unter der Erdoberfläche (Erddurchmesser: 12.756km) verbarg, dann wäre er bei 9,61 km = 1 Yojana 4.800 km hoch. Laut Gosho sind es 40.000 Yojana bis zum Mond, das wären 384.400 km und das stimmt genau!
2. Skt. Bodhisattva Mahapratibhana, jap. Daigyōsetsu-bosatsu (大楽説菩薩)(Große Freude an der Darlegung) gilt im Mahayana-Buddhismus sowohl als Suchender, der die Gestalt Buddhas durch den Juwelenstupa erkennen wollte, als auch als einflussreiche Persönlichkeit in der Versammlung, die sich der Bewahrung und Lehre des Lotos-Sutra widmete. Seine Doppelrolle unterstreicht die Bedeutung von suchendem Geist und aktiver Teilnahme an der Verbreitung buddhistischer Lehren.
3. Der Berg Minobu ist 1153m hoch, der Tempel wurde aber nicht auf dem Gipfel gegründet, sondern im Tal (ca. 400m ü.M.) an einem Bachlauf, umgeben von vier bewaldeten Berggipfeln: Minobu im Norden, Takatori im Süden, Shichimen im Westen und Tenshi im Osten. [Gosho 144 / GoogleMaps]
4. "Die Entfernung von der Provinz Sado zu dieser Provinz [Minobu] beträgtEintausend Ri, der Weg führt über das Meer und über die Berge hinweg." [Gosho 127 von 1278 an Sennichi]. 1 Ri = 450m, d.h. von Sado bis zum Minobu sind es 450 km. Im Internet wird eine Route zu Fuß angegeben, die 461 km lang ist und für die man 3 Tage und 15 Stunden braucht. 1000 Ri passt also - rund 450 km. Auch zu Pferd eine längere Reise mit Reissäcken und einem Kan von 1000 gelochten Eisen- oder Kupfermünzen beschwerlich und gefährlich.
5. Der erste Tag der Bun’ei-Ära entspricht dem 27. März 1264, der letzte Tag war der 21. Mai 1275. Die Bun’ei-Ära dauerte zwölf Jahre oder 4073 Tage.