Das Gongyo der SGI - Geschichte und Bedeutung
Der Begriff der 'harten und konsequenten religiösen Praxis' stammt ursprünglich aus dem Taoismus, ist also der vor-buddhistischen chinesischen Kultur entlehnt. Als sich der Buddhismus in China verbreitete, entwickelten die verschiedenen Schulen ihre Liturgien (Zeremonien mit formalisierten Gebetsabläufen) und übernahmen den taoistischen Begriff. Im Buddhismus wurde daraus jedoch die 'fleißig stetig fortgesetzte Ausübung'. Der Buddhismus verbreitete sich auch nach Korea, Japan, Vietnam, und in Japan sprach man die chinesischen Schriftzeichen: 'gon' (fleißig) - 'gyo' (Ausübung) aus.
Es gibt also nicht nur ein Gongyo, sondern es handelt sich um einen allgemeinen Begriff, mit dem die japanischen Schulen des Buddhismus ihre spezifischen Litaneien bezeichneten. Die unterschiedlichen Gongyos bestehen meist aus Sutra Rezitationen: Anrufung, Kanon, Rezitation, Schwur, Hymnen je nach Schule. Ein Gongyo hat etwas von einer Wiederholungstat und war hauptsächlich für Priester (Priester neigen dazu, Dinge zu formalisieren).
Beim Gongyo handelt sich um das Hauptgebet, dass die Kernaussagen einer buddhistischen Schule zum Ausdruck bringt (s.a. Vaterunser). Daher ist es wichtig, vom Gongyo bzw. der Liturgie der SGI zu sprechen.
Unsere Liturgie besteht hauptsächlich aus der auswendig vorgetragenen oder abgelesenen Rezitation des Lotos-Sutras. Im Lotos-Sutra beschreibt der Buddha die Ausübung des Sutras folgendermaßen: Lesen, rezitieren, kopieren und anderen Menschen davon erzählen.
Nichiren selbst empfahl die Rezitation des zweiten und sechszehnten Kapitels des Lotos-Sutras, 'Nützliche Mittel' und 'Die Lebensspanne des Buddhas messen'. Diese Kapitel haben jeweils einen Prosa- und einen Versteil. In verschiedenen Briefen Nichirens gibt es dazu unterschiedliche Empfehlungen.
Es ist keine Pflicht für die Mitglieder, sondern ein "Recht" - wir "dürfen" Gongyo machen, müssen es aber nicht. Nichiren selbst sagt, dass die beiden Kapitel etwas besonderes innerhalb des Lotos-Sutras sind und empfiehlt die regelmäßige Rezitation auch Laien-Mitgliedern:
"Obwohl keines der Kapitel des Lotos-Sutras unbedeutend ist, so sind von den 28 Kapiteln das 'Hilfreiche Mittel'- und das 'Lebensspanne'-Kapitel doch besonders herausragend. Die anderen Kapitel sind in gewissem Sinne die Zweige und Blätter dieser beiden Kapitel. Wenn Sie das 'Hilfreiche Mittel'- und das 'Lebensspanne'-Kapitel rezitieren, dann werden die restlichen Kapitel automatisch darin enthalten sein, obwohl Sie sie nicht rezitieren."
Auch die Priester der Nichiren Shoshu führten diese Sutra Rezitation fort. Im 15. Jahrhundert führte der 9. Hohepriester des Haupttempels am Fuße des Fujiyama ein dreimaliges Gongyo ein: Zwischen 8 und 10 Uhr Morgens, um 8 Uhr Abends und zwischen 2 und 4 Uhr in der Nacht. Dazu zog man je nach dem zu verschiedenen Orten auf dem Gelände und rezitierte unterschiedlich lange Teile der Prosa- und Vers-Versionen.
Diese Gongyo Praxis wurde dann im Lauf der Jahrhunderte mehrfach wieder verändert. Der 12. Hohepriester machte es anders, der 17. Hohepriester wieder anders u.s.w.. Der 26. Hohepriester Nichikan (1665-1726) erwähnt in einem Brief an einen Laiengläubigen fünf stille Gebete, die im Laufe eines Gongyos an fünf unterschiedlichen Tempeln dargebracht werden: Himmlische Gottheiten, Gohonzon, Drei Lehrer (Shakyamuni, T'ien-T'ai, Dengyo), persönliche Gebete, die Verstorbenen. Ein Gongyo dauerte zu dieser Zeit schon gute zwei Stunden.
Eine auf dieser Variation des Gongyos basierende Ausübung wurde in der Nichiren Shoshu bis in die Tage Präsident Todas praktiziert. Toda bat den Hohepriester in den 30er Jahren um eine vereinfachte Version des Gongyos für die Mitglieder der Soka Gakkai. Es gab zu dieser Zeit keine fest gelegte Ausübung für Laien und die Mehrzahl der Mitglieder rezitierte nur Nam-Myoho-Renge-Kyo.
Der damalige Hohepriester empfahl ein verkürztes, alltagstaugliches Gongyo, das sich besonders in der Anzahl der Wiederholungen von der priesterlichen Ausübung unterschied. Diese Version wurde als Gongyo der Nichiren Shoshu (Liturgie der Wahren Schule Nichirens) bis 1991 beibehalten.
Morgen Gongyo, Teil 1-5:
1 - Mit Blickrichtung nach Osten wurde das 'Hilfreiche Mittel'-Kapitel bis zur dreifachen Wiederholung der zehn Faktoren und der Versteil (Jigage) des 'Lebensspanne'-Kapitels rezitiert, dann (erstes stilles Gebet) den buddhistischen Schutzgöttern (Shoten Zenjin) gedankt:
Ich entbiete meine Dankbarkeit Bonten, Taishaku, den Göttern der Sonne, des Mondes und der Sterne, und allen anderen buddhistischen Göttern, den universalen Kräften innerhalb allen Lebens, den Hütern des Buddhismus, die Tag und Nacht diejenigen beschützen, die den Gohonzon annehmen und beibehalten.
2 - Mit Blick zum Gohonzon wurde das 'Hilfreiche Mittel'-Kapitel bis zur dreifachen Wiederholung der zehn Faktoren und das ganze 'Lebensspanne'-Kapitel rezitiert.
Darauf folgte das zweite stille Gebet:
Ich preise feierlich den Dai-Gohonzon - den Kern des Juryo-Kapitels von honmon, das höchste Gesetz, das in der Tiefe des Lotos-Sutras verborgen ist, das unergründliche Wesen des Universums, die vollkommene Verschmelzung von kyo und chi, den ursprünglichen Buddha von kuon ganjo, die Wesenheit des Buddhas der absoluten Freiheit, die ewige Offenbarung der Zehn Welten, die Einheit von Person und Gesetz, den Dai-Gohonzon, der im Hochheiligtum des Wahren Buddhismus eingeschreint ist. auch bedanke ich mich für die unermesslichen Wohltaten, die ich erhalten habe.
3 - Danach wurde das 'Hilfreiche Mittel'-Kapitel bis zur dreifachen Wiederholung der zehn Faktoren und der Versteil (Jigage) des 'Lebensspanne'-Kapitels rezitiert.
Drittes stilles Gebet:
Ich preise und entbiete meine tiefste Dankbarkeit Nichiren Daishonin, dem Wahren Buddha von hon'in-myo, der die drei erleuchteten Attribute und die Drei Tugenden der Eltern, des Lehrers und des Herrschers besitzt. Seine unendliche Barmherzigkeit übersteigt Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und führt alle Menschen zur Erleuchtung. (Hiki-Daimoku) Ich preise und entbiete meine tiefste Dankbarkeit seinem wahren Schüler, dem 2. Hohen Priester Byakuren Ajari Nikko Shonin, dem großen Anführer der Verbreitung des Wahren Buddhismus, der dessen reine Abkunft direkt von Nichiren Daishonin erhielt. (Hiki-Daimoku) Ich preise und entbiete meinetiefste Dankbarkeit dem 3. Hohen Priester Niida-kyo Ajari Nichimoklu Shonin, dem Hohen Priester der Kosen-rufu, der sein Leben der Verbreitung des Wahren Buddhismus hingab. Nam-Myoho-Renge-Kyo, Nam-Myoho-Renge-Kyo, Nam-Myoho-Renge-Kyo (stille Hiki-Daimoku) Ich preise und entbiete meine tiefste Dankbarkeit dem 4. Hohen Priester, Nichido Shonin, dem 5. Hohen Priester, Nichigyo Shonin, und allen nachfolgenden Hohen Priestern, die die Reinheit der Nichiren Shoshu bewahrt und die Lehren Nichiren Daishonins bis auf den heutigen Tag korrekt weitergereicht haben. (Hiki-Daimoku = drei mal langgezogenes Nam-Myoho-Renge-Kyo)
4 - Danach wurde das 'Hilfreiche Mittel'-Kapitel bis zur dreifachen Wiederholung der zehn Faktoren und der Versteil (Jigage) des 'Lebensspanne'-Kapitels rezitiert, anschließend für die Verwirklichung von Kosen-rufu, der Auslöschung des eigenen negativen Karmas und der Verwirklichung der eigenen persönlichen Wünsche gebetet (viertes Gebet).
5 - Danach wurde das 'Hilfreiche Mittel'-Kapitel bis zur dreifachen Wiederholung der zehn Faktoren und der Versteil (Jigage) des 'Lebensspanne'-Kapitels rezitiert und anschliessend wurde Daimoku gechantet. Am Ende des Chantens wurde das stille Gebet für die Verstorbenen und das Glück aller Menschen gehalten (fünftes Gebet).
Abend Gongyo, Teil 2, 3 und 5:
2 - Mit Blick zum Gohonzon wurde das 'Hilfreiche Mittel'-Kapitel bis zur dreifachen Wiederholung der zehn Faktoren und das ganze 'Lebensspanne'-Kapitel rezitiert, dann die feierliche Preisung des Dai-Gohonzons als der Manifestation des Buddhas von Kuon Ganjo, sowie die Bestätigung verschiedener weiterer Grundsätze des Lotos-Sutras zum Ausdruck gebracht (zweites Gebet).
3 - Danach wurde das 'Hilfreiche Mittel'-Kapitel bis zur dreifachen Wiederholung der zehn Faktoren und der Versteil (Jigage) des 'Lebensspanne'-Kapitels rezitiert, anschließend die Dankbarkeit gegenüber Nichiren und den ersten beiden Hohenpriestern Nikko und Nichimoku, dem 4. und 5. Hohepriester, sowie allen Nachfolgern zum Ausdruck gebracht (drittes Gebet).
5 - Danach wurde das 'Hilfreiche Mittel'-Kapitel bis zur dreifachen Wiederholung der zehn Faktoren und der Versteil (Jigage) des 'Lebensspanne'-Kapitels rezitiert und anschliessend wurde Daimoku gechantet. Am Ende des Chantens wurde das stille Gebet für die Verstorbenen und das Glück aller Menschen gehalten (fünftes Gebet).
Man merkt, wie theoretisch und priesterlich dogmatisch die stillen Gebete verfasst waren. Zwischen den Zeilen steht ziemlich eindeutig die
Aufforderung zur bedingungslosen Unterwerfung. Im Hinblick auf die Vorrangstellung des Dai-Gohonzons und der Dankbarkeit gegenüber der Priesterschaft bis hin zum amtierenden, aktuellen Hohepriester zeigt sich bereits das übertriebene Selbstverständnis einer Priesterschaft, die sich für eine Kaste hielt, die über den Laiengläubigen steht.
Für ein zügiges Morgen Gongyo brauchte man etwa eine halbe Stunde und da hatte man noch nicht gechantet. Und dann gab es da noch das so genannte Zeremonielle Gongyo, das bestand nur aus dem fünften Teil und war für 'Notfälle' gedacht.
1991 kam die Exkommunizierung aller Mitglieder der Soka Gakkai und der SGI und damit die weitere Vereinfachung des Gongyos - wir machten nur noch zeremonielles Gongyo, hängten aber alle stillen Gebete (in neuer Fassung) hinten an.
Präsident Ikeda sagt zum Gongyo:
"Diese beiden Kapitel stellen den Höhepunkt aller Lehren dar, die vom Buddha Shakyamuni erläutert wurden. Ob Sie Ihren Wortlaut verstehen oder nicht - durch die tägliche Rezitation dieser beiden Kapitel des Lotos-Sutras führen Sie bewusst oder unbewusst eine Zeremonie durch, die alle Prinzipien, die Ihr Leben und das Universum durchdringen, bestätigen und verwirklichen ...
Der Buddhismus Nichiren Daishonins lehrt, dass unsere persönliche Existenz identisch ist mit dem Universum als Ganzem, und dass das Universum in seiner Gänze wiederum identisch ist mit unserer persönlichen Existenz. Jeder einzelne Mensch ist ein Mikrokosmos.
Die Ausübung des Gongyos ist ein großartiges und edles Ritual das auf dem Gohonzon basiert. Es soll einen lebendigen Austausch des existenziellen Mikrokosmos jedes Menschen mit dem Universum bewirken...
Wenn wir vor dem Gohonzon Gongyo machen und Daimoku chanten, harmonisiert sich unsere individuelle Existenz auf perfekte Weise mit dem Universum...
Gongyo ist eine Ausübung, welche die unendliche Kraft, die der Mikrokosmos im Inneren besitzt, hervor ruft und manifestiert. Es transformiert unser Schicksal, durchbricht jede anscheinend noch so unentrinnbare Sackgasse und verwandelt Leiden in Glück. Es erschafft eine Transformation, eine Revolution des Mikrokosmos. Es ist wie ein Miniatur-Schaltplan von kosen-rufu in unserem Leben."
Man kann also sagen, dass die Ausübung des Gongyos ein Ritual des Lebens ist, das Sutra-Rezitation und Chanten in sich vereinigt. Beides gehört zusammen, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Gongyo trägt in sich die Bestätigung der Kernaussagen des Buddhismus, knüpft im Leben des Ausübenden aber auch an eine 'Weitergabe des Gesetzes an sich selbst' an. Wir haben in früheren Existenzen Gongyo gemacht und machen jetzt wieder Gongyo. Wir haben nicht nur eine spirituelle, sondern auch eine körperliche Beziehung zum Lotos-Sutra, zum Gohonzon und zum Naturgesetz der Buddhaschaft des Lebens, Myoho-Renge-Kyo. Es gibt Speicherorte im Körper, die mitschwingen, wenn wir Gongyo machen und schlafende Buddha-Anlagen in uns, die aktiviert werden. Diese Zeremonie findet gleichzeitig einen Widerhall im gesamten Universum. Das ist gemeint mit der 'Teilname an der Zeremonie in der Luft'. Das ist die Manifestation der Öffnung der Buddhaschaft, die der Gohonzon uns im wahrsten Sinne vor Augen führt.
Quellen:
Geschichte des Gongyos Teil 1 und 2
http://www.sokaspirit.org/study/features/the-history-of-gongyo-1
http://www.sokaspirit.org/study/features/the-history-of-gongyo-2
Rede von Präsident Ikeda:
http://www.gakkaionline.net/ST390/Gongyo.html
Gosho-Auszug aus Rezitation des Hoben und Jigage Kapitels
http://www.suedwestnetz.de/studium/basis/gongyo
Ganze Gosho: Rezitation des Hoben und Jigage Kapitels:
http://www.sgilibrary.org/view.php?page=68