Rechte Achtsamkeit (jap.: 正念shonen; engl.: right mindfulness), Juli 2016

"Mind the gap!", heisst es in der Londoner U-Bahn immer. Beachtungsvollkeit wäre das krumme Wort, wenn man mindfulness so übersetzt. Es geht darum etwas zu beachten, auf etwas zu achten.

Im frühen indischen Buddhismus lehrte der Buddha Shakyamuni die vier edlen Wahrheiten:

1. Das Leben im Daseinskreislauf ist leidvoll: Geburt, Alter, Krankheit, Tod sind Leiden. Diese vier Leiden kennen wir auch im Nichiren Buddhismus als die vier Grundleiden. Dazu kommen im alten Buddhismus noch weitere Spezifikationen.

2. Der Ursprung des Leidens.

3. Durch das Erlöschen der Ursachen erlischt das Leiden. Beschreibung der zwölfgliedrigen Kette des bedingten Entstehens (gibt es bei uns unter dem Begriff engi)

4. Es gibt einen Pfad der Ausübung, der zur Beendung von Leiden führt, das ist der achtfache Pfad: Rechte Ansicht, rechte Entschlossenheit, rechte Sprache, rechte Handlung, rechter Lebensunterhalt, rechte Anstrengung, rechte Achtsamkeit, rechte Konzentration.

Der Pali-Kanon ist eine Sammlung früher Lehrreden Shakyamunis, die dem Hinayana Buddhismus zuzurechnen ist. Alle Hinayana Schulen wurden ausgelöscht oder gingen unter, bis auf den Theravada Buddhismus. Im 12. Jh. wurden in Indien alle buddhistischen Tempel zerstört, aber in Burma und Tailand gibt es diesen Buddhismus bis heute. Der Begriff 'sati', Achtsamkeit, stammt aus dem Pali-Kanon. Hier gibt es eine lange Vorlesung über die vier verschiedenen Stufen der Achtsamkeit, Körper, Gefühle, Bewusstsein und Geistobjekte. Es fängt an mit dem Betrachten des eigenen Atems:

"Da begibt sich, ihr Mönche, der Mönch ins Innere des Waldes oder unter einen großen Baum oder in eine leere Klause, setzt sich mit verschränkten Beinen nieder, den Körper gerade aufgerichtet, und pflegt die Achtsamkeit (sati). Bedächtig atmet er ein, bedächtig atmet er aus. Atmet er tief ein, so weiß er 'Ich atme tief ein', atmet er tief aus, so weiß er 'Ich atme tief aus'; atmet er kurz ein, so weiß er 'Ich atme kurz ein', atmet er kurz aus, so weiß er 'Ich atme kurz aus'. 'Den ganzen Körper empfindend will ich einatmen', 'Den ganzen Körper empfindend will ich ausatmen', so übt er sich. 'Diese Körperverbindung besänftigend will ich einatmen', 'Diese Körperverbindung besänftigend will ich ausatmen', so übt er sich.

Gleichwie etwa, ihr Mönche, ein geschickter Drechsler oder Drechslergeselle tief anziehend weiß 'Ich ziehe tief an', kurz anziehend weiß 'Ich ziehe kurz an': ebenso nun auch, ihr Mönche, weiß der Mönch tief einatmend 'Ich atme tief ein', tief ausatmend 'Ich atme tief aus'; kurz einatmend 'Ich atme kurz ein', kurz ausatmend 'Ich atme kurz aus'; übt er sich 'Den ganzen Körper empfindend will ich einatmen', 'Den ganzen Körper empfindend will ich ausatmen'; übt er sich 'Diese Körperverbindung besänftigend will ich einatmen', 'Diese Körperverbindung besänftigend will ich ausatmen'."

Bei uns gibt es juji soku kanjin

Nichiren kannte den Begriff der Achtsamkeit auch, aber nur in der Gosho 190 bezieht er sich darauf im Zusammenhang mit seiner Kritik an der Nembutsu Schule. Da gab es diesen Begriff also noch im 13. Jh., aber im Buddhismus Nichirens wurde dieses Prinzip auf den Kernpunkt hin optimiert. Aus der sehr umfangreichen Lehre der Achtsamkeit im Pali Kanon wurde der eine wichtige Aspekt, den es zu beachten gilt.

Viele Lehrinhalte in unserem Buddhismus stammen aus den Betrachtungen und Kommentaren des Lotos-Sutras, die T'ien-t'ai im 6. Jh. in China verfasst hat. Er beschreibt die Ausübung von kanjin, der 'Betrachtung des eigenen Herzens', mit dem Ziel, die Buddhaschaft darin zu entdecken. Der Begriff 'Herz' (jap. shin 心, engl. mind) ist nicht leicht in ein Wort zu fassen. Das japanische Schriftzeichen zeigt eine stilisierte Mondsichel mit drei Sternen, bildet also ein Minidiagramm des Universums ab. Daher könnte man auch sagen, kanjin ist die Ausübung der Betrachtung des eigenen inneren Universums, mit dem Ziel, die mir innewohnende Buddhaschaft darin zu erfassen.

Der Gohonzon ist das Objekt der Verehrung zur Betrachtung des eigenen Herzens. Chanten zum Gohonzon ist unsere Achtsamkeit.

Der Gohonzon, den wir anschauen, ist nur eine schriftliche Abbildung des Gohonzons in unserem Herzen, in unserem Körper, in unserem inneren Universum. Diesen uns innewohnenden Gohonzon zu erforschen, das ist das Ziel der Betrachtung des eigenen Herzens.

Bei Shakyamunis Achtsamkeit werden einzelne Phänomene in aufsteigender Linie betrachtet (Körper, Gefühle, Bewusstsein und Geistobjekte).

Bei Nichiren heißt es: juji soku kanjin, das Annehmen des Gohonzons ist in sich selbst bereits die Betrachtung des eigenen Herzens.

Da wird der Unterschied klar zwischen dem frühen Ansatz Shakyamunis im Pali-Kanon und der späteren Lehre des Lotos-Sutras. Anfangs ging es darum, wie ein einzelner Mensch sich Stück für Stück selbst befreit. Buddhaschaft war ein sehr langfristiges Ziel. Im Lotos-Sutra ging es darum, dass jeder Mensch die Veranlagung zur Buddhaschaft natürlicherweise in sich hat, das ist die Aussage des Lotos-Sutras.

Im Buddhismus Nichiren Daishonins ist die Buddhaschaft der Ausgangspunkt. Hier geht es darum, die Buddhaschaft direkt anzusprechen und zu aktivieren um dann anderen Menschen dabei zu helfen, das gleiche zu schaffen.

Heute können wir uns also in der Achtsamkeit der Soka Gakkai üben:

Gerade sitzen. Wo sind meine Hände? Augen auf, den Gohonzon bewusst ansehen. Atem und Chant fließen lassen - "Wie ein galoppierendes Pferd am Strand", sagte Präsident Ikeda einmal. Ich höre mich, wie ich chante, ich spreche die Worte bewusst. Ich genieße den Klang und den Anblick des Gohonzons in einem. Ich spüre, wie die Quelle in mir ihre Energie verströmt und ich gebe diesem Fluss mit starker Lebenskraft den Auftrag, mich und meine ganze Umgebung, alle Menschen, alle Umstände mit Glück zu erfüllen.

Ich will die Buddhaschaft aus mir hervor rufen, deshalb rufe ich laut ihren Namen: Nam-Myoho-Renge-Kyo! "Jedes Daimoku ein Volltreffer", sagt Yoshi.

 

Quellen: https://de.wikipedia.org/wiki/Vier_Edle_Wahrheiten

https://de.wikipedia.org/wiki/Edler_Achtfacher_Pfad

http://www.nichirenlibrary.org/en/wnd-1/Glossary/F#four%20noble%20truths

Pali-Kanon Textauszug: http://www.palikanon.de/majjhima/m010n.htm

Gosho 190: http://www.nichirenlibrary.org/en/wnd-2/Content/190

 

 

 

 

                                                          

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